Begleitete Nachsorge – Chance für langfristige Reha-Erfolge
Die Bevölkerung wird älter, Patienten häufiger chronisch krank und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit wurde beschlossen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die medizinische Rehabilitation eine immer größere Bedeutung, unter der Schwerpunktsetzung „Reha vor Pflege“. Allerdings zeigen verschiedene Studien, dass es der Rehabilitation an Nachhaltigkeit fehlt. Seit geraumer Zeit wird eine Lösung dieses Problems in der Ausweitung der Reha-Nachsorge gesehen.
Vor diesem Hintergrund wurde am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie in Kooperation mit zahlreichen Reha-Kliniken eine neue Strategie und Organisation der Nachsorge bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen entwickelt. Das Konzept wurde im Rahmen einer multizentrischen Studie mit sechs orthopädischen Reha-Kliniken erstmals eingesetzt und evaluiert. In einer Folgestudie wurde das Nachsorgekonzept in einer psychosomatischen Klinik erprobt. Die Ergebnisse und Erfolge aus den vorliegenden Studienprojekten sind vielversprechend.
Studie „Einführung und Evaluation des Nachsorgekonzepts Neues Credo bei Rehabilitanden mit COPD“
Im Februar 2017 wurde als erstes Projekt der Forschungsgesellschaft Atemwegerkrankung e.V. in Kooperation mit Prof. Dr. phil. Dipl.-Soz. Ruth Deck vom Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie (ISE) an der Universität Lübeck die Reha-Studie „Einführung und Evaluation des Nachsorgekonzepts Neues Credo bei Rehabilitanden mit COPD“ gestartet.
Die Finanzierung der beschriebenen Studie übernahm die gemeinnützige Forschungsgesellschaft, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Forschungsaktivitäten in der Pneumologie, speziell mit dem Fokus auf stationäre und ambulante Rehabilitation, aktiv zu unterstützen.
Für die Studie wurde die zuvor schon bewährte Nachsorgestrategie „Neues Credo“ speziell für Rehabilitanden mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) angepasst und in der Nordseeklinik Westfalen evaluiert. Die Nordseeklinik Sonneneck – Fachklinik für onkologische Nachsorge – beteiligte sich ergänzend mit einer kleinen Patientenzahl, die eine COPD in Verbindung mit einer onkologischen Erkrankung aufweisen.
⇒ Nachsorgestrategie
Im Vordergrund des Konzepts steht die Integration der körperlichen Aktivität in den Alltag der Patienten. Dazu wurden die Rehabilitanden während ihrer Reha hinsichtlich Eigenverantwortung und Eigeninitiative während und nach der Reha geschult. Als Unterstützung erhielten sie u. a. ein auf die Strategie abgestimmtes Beobachtungsheft (s. Abbildung 1).
Abbildung 1: Beobachtungsheft für den Klinikaufenthalt und die folgenden 11 Monate
Nach dem Klinikaufenthalt wurden die Rehabilitanden durch eine eigens für diesen Zweck in der Nordseeklinik Westfalen eingesetzte Nachsorgebeauftragte, mit Unterstützung der Universität Lübeck, betreut. Ziel war es, die in der Reha gelernten Techniken zu Hause weiterhin umzusetzen und das während der Maßnahme gewählte und trainierte körperliche Aktivitätspektrum in den Alltag zu integrieren. Als Hilfestellung erhielten die Rehabilitanden drei Bewegungstagebücher, die sie für unterschiedlich lange Zeiträume ausfüllten. Insgesamt erfolgte diese Dokumentation über ein komplettes Jahr. Neben der Dokumentation der körperlichen Aktivität wurden Hürden und Förderfaktoren notiert, um gegebenenfalls Vorsätze zu modifizieren oder sich Unterstützung von der Nachsorgebeauftragten oder den mit ihr vernetzten klinischen Experten geben zu lassen (s. Abbildung 2).
Abbildung 2: Bewegungstagebuch für zu Hause
Durch die Dokumentation ihrer Aktivitäten wurden die Patienten motiviert, ihre in der Reha formulierten Ziele zu Hause im Alltag auch umzusetzen. Die daheim ausgefüllten Hefte wurden vom Rehabilitanden an die Nachsorgebeauftragte der Klinik geschickt. Diese überprüfte die Umsetzung der Rehaziele und die gefassten Vorsätze und nahm bei Bedarf persönlichen Kontakt auf, um den Rehabilitanden professionelle Hilfestellung zu leisten.
Die Nachsorgebeauftragte begleitete die Rehabilitanden während und nach der Rehabilitation und organisierte den Studienablauf in der Klinik.
⇒ Evaluationsstudie
Evaluationsstudie
Die Evaluation des Nachsorgekonzepts wird vom Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck durchgeführt.
Die Wirksamkeit des Neuen Credo bei Rehabilitanden mit COPD wurde in einer kontrollierten Längsschnittstudie überprüft. In einem sequenziellen Design wurden zunächst alle ankommenden Rehabilitanden der Kontrollgruppe (Standardrehabilitation und Standardnachsorge) zugeordnet, bis die angestrebte Fallzahl erreicht war. Nach Abschluss der Rekrutierung der Kontrollgruppe wurde das Reha-Team in der Nordseeklinik Westfalen hinsichtlich der Durchführung des Neuen Credo geschult. Die nachfolgenden Rehabilitanden stellten die Interventionsgruppe mit dem Konzept Neues Credo dar.
Die Studie umfasste drei Messzeitpunkten (Reha-Beginn=t0, Reha-Ende=t1 und nach 12 Monaten=t2). Die Messung der primären und sekundären Zielgrößen erfolgte mit einem standardisierten schriftlichen Fragebogen, den die Rehabilitanden zu den genannten Messzeitpunkten ausfüllten.
⇒ These
These
Aufgrund vorangegangener Studien war mit positiven Studienresultaten zu rechnen. Bisherige Ergebnisse mit dem Neuen Credo zeigten, dass das Konzept in Reha-Kliniken praktikabel und viel versprechend ist. Es stieß bei den Rehabilitanden auf eine große Akzeptanz. Durch die Hinführung zu mehr Eigeninitiative, die Unterstützung durch Bewegungstagebücher sowie einer festen Bezugsperson in der Reha-Klinik wurden nach bisherigen Erfahrungen Langzeiterfolge nach medizinischen Reha-Maßnahmen etabliert.
Zwölf Monate nach Abschluss der Reha-Maßnahme gab es in den vorangegangenen Studien bei den Rehabilitanden, die am Nachsorgekonzept teilnahmen, Erfolge auf mehreren Ebenen:
- Sie nutzten bereits in der Reha-Klinik die Therapieangebote intensiver.
- Sie fühlten sich für die Zeit nach der Reha besser gerüstet und bewerteten die Vorbereitung auf diese Zeit nach der Reha deutlich besser.
- Sie wiesen in der Zeit nach der Reha einen viel höheren Aktivitäts- und Bewegungsumfang auf.
- Sie konnten ihre in der Reha gesetzten Ziele in einem größeren Ausmaß nach der Reha umsetzen.
- Und schließlich konnten sie insbesondere in fast allen gesundheitsbezogenen Bereichen die Reha-Erfolge langfristig deutlich besser aufrechterhalten, als Rehabilitanden mit einer Standardrehabilitation und Standardnachsorge.
⇒ Positive Ergebnisse
Am 25. September 2019 wurde der letzte an der Interventionsgruppe teilnehmende COPD-Patient im Rahmen der Studie „Neues Credo“ in die laufende Studie aufgenommen. So konnte die Studie „Neues Credo COPD“ nach Eingang der letzten Abschlussfragebögen im November 2020 geschlossen werden.
Im Anschluss daran hat die Universität Lübeck die vorhandenen Daten auswertet.
Wir freuen uns, dass seit Februar 2021 nach umfangreichen Auswertungen die Ergebnisse vorliegen.
Studie beweist: Positive Reha-Effekte können aufrechterhalten werden
Mit der Studie „Effekte einer begleiteten Nachsorge in der Post-Reha-Phase bei COPD-Patienten: eine kontrollierte Studie“ konnte nachgewiesen werden, dass die begleitete Nachsorge Reha-Effekte im stärkeren Umfang aufrechterhalten kann. So trägt das Nachsorgekonzept zur Steigerung der körperlichen Aktivität bei.
Die detaillierte Veröffentlichung der Studie „Neues Credo COPD“ wurde auch aufgrund ihrer Bedeutung für die COPD-Nachsorge vom renommierten Thieme Verlag im Fachschwerpunkt „Pneumologie“ im Juni 2021 veröffentlicht. Diese Veröffentlichung können Sie hier nachlesen.
Als Forschungspartner unterstützten uns bei dieser Studie:
[1] Deck R, Schramm S, Hüppe A., Begleitete Eigeninitiative nach der Reha („neues Credo“) – ein Erfolgsmodell? Rehabilitation 51; 2012: 51: 316–325
FORSCHUNGSGESELLSCHAFT ATEMWEGERKRANKUNGEN E.V. | www.atemwege.science